VITA ENAMIC absorbiert Kaukräfte: Neue Erkenntnisse aus einem In-vitro-Test
Untersuchungsergebnisse im Kausimulator zur Kraftübertragung auf den simulierten periimplantären Knochen zeigen, dass Kronen aus einem relativ elastischen Werkstoff wie der Hybridkeramik VITA ENAMIC gegenüber Kronen aus dem vergleichsweise steifen Zirkondioxid rund 70 Prozent der Kraft reduzieren bzw. absorbieren können. Frau Dr. Maria Menini berichtet im folgenden Interview über ihre Erkenntnisse aus einer Testreihe.
DV: Frau Dr. Menini, welche Ergebnisse haben Sie für Hybridkeramik im Vergleich zu Zirkondioxid und Glaskeramik bezüglich der Fähigkeit, Kaukräfte zu absorbieren, ermittelt?
Dr. Maria Menini: In den Untersuchungen, die unser Forscherteam unter der Leitung von Prof. Dr. Paolo Pera durchführte, hatte das eingesetzte Restaurationsmaterial einen wesentlichen Einfluss auf die die Übertragung von Kaukräften auf den simulierten periimplantären Knochen. Durch den Einsatz elastischer Werkstoffe ließ sich die gemessene Lastübertragung reduzieren. Insbesondere die Hybridkeramik zeigte im Vergleich zu Zirkondioxid und Glaskeramik ein stoßdämpfendes Verhalten. Auf die Knochen-Implantat-Grenzfläche übertragene Kräfte wurden dadurch reduziert.
DV: Warum verfügen relativ elastische Werkstoffe wie VITA ENAMIC über eine bessere Fähigkeit, Kaukräfte zu absorbieren, als z. B. traditionelle Glas- oder Oxidkeramiken?
Dr. Maria Menini: Elastische Materialien absorbieren Kaukräfte, indem sie sich unter Belastung verformen – ähnlich einer Matratze, auf die man springt. Steifere Werkstoffe wie Zirkondioxid bieten diese Eigenschaft hingegen nicht, sodass auf sie einwirkende Kräfte direkt auf darunterliegende Strukturen (z.B. Implantat und Knochen) übertragen werden. Dabei gilt laut dem Hookeschem Gesetz: Je steifer das Material (d.h. je höher der Elastizitätsmodul), desto geringer die Verformung unter Belastung und desto höher die Kraftübertragung sowie umgekehrt.
DV: Welche Risiken können bei implantatgetragenem Zahnersatz aus einer relativ direkten und steifen Verbindung zwischen Knochen und Implantat resultieren?
Dr. Maria Menini: Anders als natürliche Zähne sind Implantate nach der Osseointegration fest im Knochen verankert. Dadurch erfolgt bei Belastung des Implantats eine direkte Kraftübertragung in den periimplantären Knochen. Bei physiologischer Belastung des osseointegrierten Implantats passt sich die Knochensubstanz zwar an, aber eine starke Überbelastung kann zu Knochenfrakturen, Knochenabbau und technischen Komplikationen führen. Demnach erscheint es wichtig, eine kontrollierte Krafteinwirkung auf den Knochen zu gewährleisten.
DV: Können elastische Restaurationsmaterialien aufgrund ihrer Fähigkeit, Kaukräfte zu absorbieren, diese Risiken bei Implantatversorgungen möglicherweise minimieren?
Dr. Maria Menini: Ergebnisse aus In-vitro-Studien bestätigen, dass dies möglich ist, klinische Daten liegen jedoch bislang nicht vor. Nach unseren Tests im Kausimulator werden durch den Einsatz von Hybridkeramik, Komposit und Acryl-Kunststoff im Vergleich zu Zirkondioxid rund 70 bis 95 Prozent der auf die Implantat-Knochen-Grenzfläche einwirkenden Kräfte reduziert. Diese Erkenntnisse sollten bei der Wahl des Restaurationsmaterials Berücksichtigung finden, insbesondere in Fällen, in denen die Belastung zu minimieren ist (z.B. bei der Sofortversorgung).
DV: Bei welchen weiteren klinischen Indikationen kann der Einsatz von Restaurationsmaterialien mit „kraftabsorbierenden“ Eigenschaften besonders sinnvoll sein und warum?
Dr. Maria Menini: Sinnvoll ist der Einsatz elastischer Werkstoffe immer dann, wenn eine Reduktion der okklusalen Belastung anzustreben ist. Dies gilt sowohl für Versorgungen auf Implantaten wie auch auf natürlicher Zahnsubstanz, beispielsweise bei Patienten mit Parafunktionen. Welche biomechanischen Effekte der Einsatz relativ steifer Restaurationsmaterialien wie etwa Keramiken auf das Kausystem hat, wurde bislang nicht untersucht. Durch Materialien mit Polymeranteil und zahnähnlichen Eigenschaften könnten jedoch mögliche negative Effekte vermieden werden.
Bericht 09/15