Komposit oder Keramik? Eine systematische Einordnung indirekter zahnfarbener Werkstoffe
Indirekte, zahnfarbene Keramikwerkstoffe wie Feldspat- und Glaskeramiken haben sich mittlerweile als Standard für CAD/CAM-gefertigte Restaurationen etabliert. Das Spektrum an CAD/CAM-Materialien hat sich in den letzten Jahren jedoch enorm erweitert. Zahnärzte können heute neben den traditionellen Keramiken auch Hybridkeramik oder hochgefüllte Komposite für die definitive prothetische Versorgung einsetzen. In diesem Beitrag befasst sich Dr. Sebastian Horvath (Jestetten, Deutschland) mit der systematischen Einordnung traditioneller und neuer zahnfarbener CAD/CAM-Werkstoffe.
Wie lassen sich die Materialklassen Keramik und Komposit charakterisieren?
Keramiken sind anorganische, mineralische Materialien, molekular aufgebaut und weisen kovalente/ionische Bindungen auf. Sie zeichnen sich, in der Regel, durch hohe mechanische Biegefestigkeiten aus. Bei Krafteinwirkung reagieren traditionelle Keramiken allerdings mit einem spröden Verhalten und sind daher anfällig für Rissbildung. Komposite sind mehrphasige Materialien. Sie bestehen aus einer Kunststoffmatrix, in die meist keramische Füllkörper eingebettet sind, um damit die mechanischen Eigenschaften zu verbessern.
Was sind heute typische Vertreter innerhalb der jeweiligen Materialklassen?
Begonnen hat alles 1985 mit der VITABLOCS Feldspatkeramik. Es folgten verstärkte Glaskeramiken, z.B. aus Lithiumdisilikat, und seit 2013 ist die Hybridkeramik VITA ENAMIC erhältlich. In letzter Zeit kommen vermehrt Komposite und Hochleistungspolymere, wie z.B. GC CERASMART, für den CAD/CAM-Einsatz auf den Markt.
Wie unterscheidet sich Hybridkeramik von traditionellem Komposit?
Die Hybridkeramik ist eine grundlegend neue Kombination von Keramik und Polymer. Die Keramik sorgt für die mechanische Stabilität, das Polymer für die Elastizität. Bei Kompositen sind keramische Füller in ein Polymernetzwerk eingebettet. Die Hybridkeramik verfügt dagegen über ein Keramiknetzwerk, das mit Polymer infiltriert wird. Sie verfügt über einen hohen Keramikanteil (ca. 86 Gew%), was zur hohen Belastbarkeit des Werkstoffs beiträgt.
Welche Vorteile kann man von der neuen Hybridkeramik für die Klinik erwarten?
Dank der hohen Belastbarkeit und Elastizität zeigt die Hybridkeramik ein hohes Absorptionspotential gegenüber Kaukräften. VITA ENAMIC ist deutlich weniger spröde als reine Keramik und hat ähnliche mechanische Eigenschaften wie Dentin. Dies lässt eine einheitliche Stressverteilung erwarten. Bei etwaiger Rissbildung werden Risse an den Polymer-Keramik-Grenzflächen abgelenkt bzw. gestoppt. Die Elastizität des Werkstoffs ermöglicht beim CAD/CAM-Verfahren dünn auslaufende und gleichzeitig präzise Restaurationsränder.
Wie sind Keramik, Hybridkeramik und Komposit zu befestigen?
Durch die keramische Struktur wird die Hybridkeramik wie Feldspatkeramik durch Ätzen mit Flusssäure und Silanisierung vorbehandelt. Untersuchungen zeigen hier sehr gute Haftwerte. Nach derzeitiger Datenlage sollen CAD/CAM-Kompositwerkstoffe vor dem Zementieren korundgestrahlt und silanisiert werden, wodurch laut Labortests jedoch vergleichsweise geringere Verbundwerte erzielt werden.
Was ist der entscheidende Praxisvorteil von VITA ENAMIC?
Das ursprüngliche Ziel von ästhetischen und langlebigen Einzelzahnversorgungen mittels CEREC-Verfahren in nur einer Sitzung lebt mit der Hybridkeramik wieder auf, denn bei diesem Werkstoff ist kein Kristallisationsbrand notwendig. Ich verwende das Material deswegen mittlerweile standardmäßig für Einzelzahnversorgungen im Seitenzahnbereich.
Bericht 08/16
Quelle Abb. 1a/b: REM-Bilder von polierten Materialproben, VITA F&E, 5.000-fache Vergrößerung, mit Rasterelektronenmikroskop EVO MA 10 von Firma Zeiss erstellt, 08/16