FEM-Simulation mit Hybridkeramik liefert neue Erkenntnisse zur Biomechanik
Das Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung (IPA) untersuchte mittels FEM (Finite Elemente Methode) das makroskopische Verformungsverhalten der Hybridkeramik VITA ENAMIC. Im virtuellen Belastungstest wurden verschiedene Belastungssituationen simuliert, um dann auftretende Spannungen und Dehnungen bei Zahnersatz aus VITA ENAMIC und traditioneller Keramik zu untersuchen. Prof. Oliver Röhrle, PhD (Universität Stuttgart, Institut für Mechanik, Stuttgart, Deutschland und Fraunhofer IPA, Stuttgart, Deutschland) berichtet im folgenden Interview über die Simulationsergebnisse.
DV: Unter Belastung auftretende Spannungsspitzen können bei Dentalmaterialien zu Rissbildung und Schädigung führen. Welche Erkenntnisse kann hier eine FE-Simulation liefern?
Prof. Oliver Röhrle: Mittels Analyse von Spannungsspitzen können Schwachstellen in der Konstruktion identifiziert werden und durch Provokation eines Strukturversagens lässt sich die maximale Traglast bestimmen. Diese Daten sind nutzbar, um Material und Geometrie so zu designen, dass sich Spannungen unter normalen Lastbedingungen effizienter verteilen.
DV: Wie verhält sich die Keramik-Polymer-Matrix von VITA ENAMIC bei simulierten Lastfällen und wie kann die Dual-Netzwerkstruktur Spannungsspitzen minimieren?
Prof. Oliver Röhrle: Die Spannungskonzentration, die sonst zu einem Rissfortschritt führt, wird von der dehnbaren Polymermatrix aufgefangen.
DV: Welches mechanische Verhalten zeigt die Hybridkeramik in der FE-Simulation einer Belastungssituation und wodurch unterscheidet sich dieses von traditioneller Keramik?
Prof. Oliver Röhrle: Im Allgemeinen lässt sich sagen, dass traditionelle Keramiken zwar eine hohe Druckfestigkeit aufweisen, aber eben auch sehr spröde sind. VITA ENAMIC hingegen weist dank des Polymeranteils eine hohe Duktilität auf.
DV: Lassen die Ergebnisse für VITA ENAMIC ein geringeres Risiko von Rissbildung erwarten, da das Material unter Belastung eine relativ hohe Materialdehnung zeigt?
Prof. Oliver Röhrle: Für eine genauere Risikoabschätzung wäre eine nichtlineare numerische Untersuchung erforderlich. Aber ja – plastische Verformbarkeit verhindert ein schlagartiges strukturelles Versagen.
DV: Worin liegen aus Ihrer Sicht die Besonderheiten des Dentalwerkstoffs VITA ENAMIC hinsichtlich seiner mechanischen Eigenschaften?
Prof. Oliver Röhrle: Indem das Polymer die bei einem Riss freiwerdende Energie teilweise aufnimmt und sich entsprechend verformt, wird – bei konstanter Belastung – das Voranschreiten des Risses verhindert.
Bericht 03/16
Für diese Simulation wurde jeweils ein kompletter Zahn aus Hybridkeramik und aus herkömmlicher Keramik virtuell angefertigt, um dann auf den Zahnmodellen mit idealisierten Materialannahmen einen typischen Belastungstest durchzuführen: Auf eine Kugel, die auf dem Zahn liegt, wird Kraft aufgebracht. Rot repräsentiert hier im Ergebnis die maximale Hauptdehnung, der blaue Farbbereich steht für keine bzw. kaum eine Verformung. Der direkte Vergleich zeigt, dass bei dem virtuellen Prüfkörper aus VITA ENAMIC im Gegensatz zum Keramik-Zahnmodell quasi die komplette Krone grün bis rot ist, also die Hybridkeramik viel stärker nachgegeben und damit den Druck abgefangen hat.